Dürfen's denn das?

Ein paar Gedanken zu #ORF und #Socialmedia

So, der ORF Facebook Bescheid ist jetzt auch offiziell auf der Website der KommAustria nachzulesen. Die österreichische Medienbehörde befindet, der ORF verstoße mit seinen Aktivitäten in Sozialen Netzwerken gegen das Gesetz. Konkret wurden 39 Seiten auf Facebook beanstandet bzw. untersagt, darunter die Fanpages von Ö3 oder FM4, Willkommen Österreich oder Wir sind Kaiser, des ORF RadioKulturhauses oder von 147 Rat auf Draht …

 

Soweit so absurd.

Die Print- bzw. Onlinemedien, allen voran derStandard.at, berichteten ausführlich vorab und publizierten die komplette Liste der verbotenen ORF-Seiten auf Facebook. Ohne jedoch zu erwähnen, dass sie nicht ganz unbeteiligt sind am quasi Social Media Verbot des Öffentlich Rechtlichen Rundfunks. Schließlich war es der Verband Österreichischer Zeitungen VÖZ, der die Einschränkungen des ORF im Online-Bereich ausverhandelte. Ein Deal, bei dem auch die ORF Futurezone abgeschossen wurde. Das erfolgreiche und kritische Netzpolitik-Portal wurde gegen eine Ausweitung der Online-Werbemöglichkeiten des ORF sozusagen verscherbelt.


Im Juni 2010 wurde im Nationalrat das neue, derzeit gültige ORF-Gesetz verabschiedet. Im Vorfeld gab es dagegen viele Proteste von Menschen aus der Medien- und PR-Branche. Auch ich habe damals ein Email an den zuständigen Staatssekretär Josef Ostermayer geschrieben. Und darin angemerkt, dass aus meiner Sicht die Vereinbarung zwischen ORF und VÖZ eine Form des Protektionismus darstellt, der nicht im Sinne zukunftsfähiger öffentlich-rechtlicher Online-Angebote des ORF agiert. Das sehe ich heute nicht anders. In der Aufregung über das Bauernopfer Futurezone ging allerdings ein wenig unter, welche Tragweite die anderen gesetzlichen Beschränkungen der Aktivitäten im sozialen Netz haben. Ob sich die verantwortlichen Verhandlungsführer auf Seiten des ORF dessen bewusst waren, kann ich nicht sagen. Ich vermute, eher nicht.

 

Soweit so kurzsichtig.

In der medieninteressierten österreichischen Twitterwelt sorgte der ORF Facebook Bescheid der KommAustria für Unmut und Unverständnis. Vor allem auch bei den twitternden ORF-JournalistInnen. So bemerkte @ArminWolf: „Der Bescheid zeigt, wie weltfremd die Bestimmungen zu Social Networks im ORF-Gesetz sind. Verbietet uns quasi den Zugang zu Jungen.“ Und ähnlich @DieterBornemann: „Kann der Gesetzgeber wirklich wollen, dass ORF auf social media verzichten muß? Und damit ein Weg zum Publikum abgeschnitten wird!“ Und @RomanRafreider postete: „Ich schreib jetzt schnell den exakt 500-sten Tweet, bevor der nicht mehr möglich ist.“

 

Soweit so besorgt.

 

Aber soweit wird es hoffentlich nicht kommen. Denn die von Personen betriebenen Twitter- und Facebook-Accounts sind nicht von den Reglementierungen erfasst. Im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Auftrags nicht bereitgestellt werden dürfen laut ORF-Gesetz § 4f Abs. 2 Ziffer 25 „soziale Netzwerke sowie Verlinkungen zu und sonstige Kooperationen mit diesen, ausgenommen im Zusammenhang mit der eigenen tagesaktuellen Online-Überblicksberichterstattung“.

 

Soweit so un- bzw. missverständlich.

 

Jedenfalls plant der ORF gegen den Bescheid der KommAustria Berufung einzulegen. Und generell steht seit der unsäglichen Causa Niko Pelinka eine Reform des ORF-Gesetzes zur Debatte. Im Forderungspapier der ORF-RedakteurInnen geht es nicht nur um strukturelle Änderungen beim Stiftungsrat und um die Sicherstellung der notwendigen Parteiunabhängigkeit, sondern auch um klare und vernünftige gesetzliche Rahmenbedingungen für den ORF im Web. So heißt es darin: „Ebenso aus dem ORF-G zu streichen sind ... die mit zeitgemäßem Medienverständnis unvereinbaren Amputationen des ORF-Online-Angebots, nach denen die 'Berichterstattung nicht vertiefend' sein darf ... und Social-Media-Aktivitäten nur überaus eingeschränkt stattfinden dürfen. ..."

Soweit so gut.

 

Immerhin hat nun auch der ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz die Macht der sozialen Medien erkannt. In einer APA OTS Aussendung anlässlich des Rückzugs der Bestellung von Niko Pelinka als Büroleiter erklärte er, „die positive selbstbewusste Energie der ORF-Belegschaft nachhaltig aufzugreifen“ und: „Der öffentlich-rechtliche Rundfunk darf nicht durch rechtliche Einschränkungen von neuen medialen Entwicklungen abgeschnitten werden. Die vergangenen Tage haben gezeigt, dass ein starker unabhängiger öffentlich-rechtlicher Rundfunk breiten Bevölkerungskreisen ein Anliegen ist.“

Dazu beigetragen hat wohl nicht zuletzt das kleine, selbstgebastelte Protestvideo der Redakteurinnen und Redakteure des Aktuellen Dienstes in der ORF-Fernsehinformation, das für großes Echo sorgte und es binnen kurzer Zeit auf mehrere hunderttausend Klicks auf Youtube brachte. Eine höchst erfolgreiche virale Aktion für das Recht auf journalistische Unabhängigkeit, bei der manche Medienberichte sogar den Keim eines Austrian Spring“ sprießen sahen.

 

Soweit so optimistisch.

 

Welche zusätzlichen Kanäle das Social Web für Medienanstalten eröffnet, veranschaulichte auf alle Fälle und wie nie zuvor der Arabische Frühling. Wie Twitter, Facebook, Youtube, Blogs und Bürgerjournalismus mit dem Fernsehen kombiniert werden, führte zum Beispiel der Sender Al Jazeera gekonnt vor Augen. Aber auch sonst gab es kaum ein Medium, das nicht auf seiner Website Kurznachrichten und Livestreams eingebunden gehabt hätte. In manchen Programmen gab es auch RedakteurInnen, die regelmäßig Monitoring der sozialen Netzwerke betrieben und dem TV-Publikum berichteten, was Blogger und Twitterer in Tunis oder Kairo posten. Formen der Echtzeitkommunikation, die ich – bei aller professionellen Berichterstattung – bei den Online-Angeboten des ORF vermisst habe und vermisse.

 

Soweit so verpasst den Zug.


Ich kann die Bedenken durchaus verstehen, die auf eine Wettbewerbsverzerrung durch massive und kommerzielle Online-Angebote des mächtigen und gebührenfinanzierten ORF hinweisen. (Wobei auch erwähnt werden muss, dass die Printmedien eine über Steuern finanzierte Presseförderung erhalten.) Was aber fehlt, ist eine sinnvolle, nicht-kommerzielle, öffentlich-rechtliche Netzkultur und aufgrund der gesetzlichen Beschränkungen auch – noch – die Strategien dafür. Ganz kleines Beispiel: Das Radiokolleg zum Mitreden, eine Live-Diskussion mit Livestream zur Sendung, ein interaktives Format, das das Publikum zur Partizipation einlädt. Und dies auch seit einiger Zeit via Twitter, wo begleitend zum Programm der Account @radiokolleg_mit eingerichtet wurde, den ich das Vergnügen habe mitzubetreuen – eine ziemlich illegale Machenschaft, oder?

 

Es wäre schön, die Tweets von HörerInnen auch auf der Ö1 Site zu finden, hier auch das eine oder andere Like für eine der so vielen tollen Sendung abzugeben, zu kommentieren und zu teilen … Darf aber nicht sein. Es wäre fein und professionell, sich längerfristig zu überlegen, wie der Aufbau von Communities funktioniert. Wird aber nicht gemacht, geschweige denn finanziell honoriert. Es wäre eine super Aufgabe gerade auch für uns Freie (ÜberlebenskünstlerInnen) beim ORF, unsere Social Media Kompetenz einzubringen. Ist aber meines Wissens nicht gefragt. Und es würde auch – glaube ich – dem Bildungsauftrag des ORF entsprechen, ein neues und jüngeres Publikum an die hochwertigen qualitätsjournalistischen Inhalte heranzuführen und so viele Menschen wie möglich zum Mithören, Mitsehen, Mitmachen und Mitdenken anzuregen. Stichwort: Zukunft der Medien.

 

Soweit so verspielt – derweil.

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Kommentare: 1
  • #1

    Lena Doppel (Freitag, 03 Februar 2012 18:46)

    cool :-)