Digitale Demokratie

Das Internet als Experimentierfeld politischer Partizipation

Akropolis mit Kran

aus: gehört 3/2009 | Nr. 159 | S 4

Artikel zum Radiokolleg:
"Partizipation. Die Mobilisierung der Mitmachgesellschaft"

Ob „Bürgerdialoge“ zu Risikotechnologien, „Zukunftswerkstätten“ zum Klimawandel, „Soziale Netzwerke“ im Web 2.0 oder Internetportale zur „E-Participation“ – vielfältige Methoden und Modelle laden heute zum Mitdenken und Mitmachen ein. Partizipation lautet das Zauberwort, um die modernen Menschen zu mobilisieren.


Dabei ist Partizipation keinesfalls eine neue soziale Erfindung, wie ein Blick auf die griechische Antike bestätigt. „Uns sind die Prinzipien der Demokratie sehr vertraut, also das Procedere, wie die Bürger in öffentliche Belange einbezogen werden und am Gemeinwesen partizipieren“, erzählt Evika Karamagioli, die als Expertin für „E-Participation“ international tätig ist. „Wir können behaupten, hier in Griechenland die Demokratie sozusagen erfunden zu haben. Aber heute sind diese Prinzipien natürlich in weiten Teilen der Welt etabliert.“

Beim Sightseeing in Athen lässt sich jener Schauplatz erkunden, wo vor gut 2500 Jahren ein erstes Modell ziviler Partizipation erprobt wurde. Am Fuße der Akropolis erstreckt sich die antike Agorá, einst der größte Marktplatz im Stadtstaat und Versammlungsplatz für die Bürger der Athener Polis, die hier zusammenkamen, um über politische Fragen zu debattieren und abzustimmen. Ein Recht, das allerdings nur den freien männlichen Bürgern vorbehalten war. Frauen, Unfreie und Fremde waren im alten Athen von jeglicher Mitbestimmung ausgeschlossen.

Auch im Zeitalter des Internet ist das Bild des griechischen Marktplatzes lebendig. Als Metapher der elektronischen Agora, die ebenso wie der Begriff „E-Government“ auf Al Gore zurückgeht. Der ehemalige US-Vizepräsident überlegte schon vor zwei Jahrzehnten, wie der amerikanische Staat mithilfe der elektronischen Medien modernisiert werden könnte. „Mit der Digitalisierung der Verwaltung hat alles begonnen“, weiß Peter Parycek zu berichten, der an der Donau Universität Krems das Zentrum für E-Government leitet. „Es lag nahe, zuerst den internen Datenaustausch zu forcieren, damit da nicht mehr das Papier zwischen den Behörden hin und her schwirrt“.
Gleichzeitig gibt es bereits seit langem Entwürfe für eine „E-Democracy“, so Parycek. „Das war diese Vorstellung der E-Agora, also back to the roots, den Marktplatz von anno dazumal in Athen im Internet wieder auferstehen zu lassen, um alle Bürger elektronisch einzubinden und so zu einer breiteren Demokratie zu kommen.“ Eine Vision, die lange eine solche blieb, wie der Experte für E-Government ausführt: „Weil dazu natürlich eine hohe Internetdurchdringung notwendig ist, und eine hohe Medienkompetenz in der Bevölkerung, damit sich das wirklich auf einer breiten Basis bewegt, weil es sonst ja wieder nur eine kleine Elite ist, ein gebildete Polis, die auf der elektronischen Agora partizipiert.“


Vertrauen und Transparenz

 

Heute ist unter dem Dach des „E-Government“ eine komplexe Architektur an Begriffen angesiedelt, denen allesamt ein „E-“ für elektronisch vorangestellt ist. Wobei „E-Participation“ alle internetgestützten Verfahren umfasst, die eine Bürgerbeteiligung an politischen Prozessen ermöglichen. Sie ist ein indirekt demokratisches Element der „E-Democracy“. „Das heißt natürlich nicht, dass jetzt ein Paralleluniversum entsteht, eine zweite Art von Demokratie, weil es kann nur eine Demokratie geben“, sagt Peter Parycek, der im Bundeskanzleramt für die Entwicklung der österreichischen E-Democracy-Strategie zuständig ist. „Das ‚E’ ist als Platzhalter zu sehen, nämlich für den Veränderungsprozess, für die Digitalisierung der Demokratie, die stattfindet und neue Chancen eröffnet für die Transparenz im Staat, die wesentlich ist, damit Vertrauen zwischen Bürgern, Verwaltung und Politik entstehen kann.“


Wie Daten belegen, steht es um dieses Vertrauen nicht zum Besten. So steigt überall in Europa die Parteienverdrossenheit während die Wahlbeteiligungen sinken. Um Partizipationsdefizite zu beheben, werden von der Europäischen Union unzählige Initiativen gefördert. „Wir haben heute die Tools, um die Sichtweisen der Bürger im Netz zu versammeln und aufzuzeichnen“, ist Evika Karamagioli von den Potenzialen elektronischer Partizipation überzeugt. Sie ist stellvertretende Chefin von Gov2u, einer Nichtregierungsorganisation mit Hauptsitz in Athen. Die NGO ist Partner in etlichen EU-Projekten zur E-Participation und entwickelt dabei interaktive Internetauftritte für Gemeinden und regionale Regierungen in verschiedenen Ländern. „Damit können die gewählten Entscheidungsträger im Web nachverfolgen, welche Themen ihren Wählern wichtig sind. Das sind dann nicht nur Worte, sondern das ist ein echtes Feedback, das auf eine positive Weise genutzt werden kann.“


Neues Zeitalter

 

Auch in Österreich wachsen die Aktivitäten, die mit Blogs und anderen Werkzeugen des Web 2.0 die politische Meinungsbildung ankurbeln wollen. „Wir befinden uns noch in einer Pionierphase“, räumt Peter Parycek ein, der anlässlich der Nationalratswahl 2008 die Webplattform meinparlament.at aufbaute, wo Wähler ihre Fragen an die Abgeordneten richten konnten. Ein Angebot direkter Demokratie, das auf beiden Seiten Anklang fand. So wurden immerhin 2500 Fragen online gestellt, die großteils auch eine Antwort erhielten. Insgesamt setzen die österreichischen Parteien das Internet aber noch eher traditionell ein, mit vorwiegend klassischen Webseiten und erst vereinzelten Möglichkeiten zum Dialog mit dem Wahlvolk. Ganz im Gegensatz zum erfolgreichen Online-Wahlkampf des US-Präsidenten Barack Obama, der darauf hindeutet, dass im Experimentierfeld der Partizipation „ein neues Zeitalter angebrochen ist“, wie Peter Parycek sagt.

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